Freitagsgedanke: Reformationstag

31. Oktober 2025

Heute feiern wir Reformationstag und ich selbst gehöre zu den Leuten, die sich sehr auf das lange Wochenende gefreut haben. Ausschlafen. Zeit haben. Frei haben. Frei sein. Auch eine Art der Erneuerung. Neue Kräfte sammeln. Schon gestern schrieb ich Freunden einen Gruß und wünschte ihnen ein frohes Reformationsfest. Gleich mehrfach kam die Rückfrage, ob wir Zeit für einen Besuch haben, oder am Feiertag telefonieren könnten. Dankend vertagte ich die Anfragen auf den November. Das lang ersehnte Wochenende soll nun wirklich frei sein. Frei von Terminen und Treffen, um wieder frei zu sein für Begegnungen im Alltag.

In meinem Kalender steht an diesem Wochenende „meine Zeit zum Hören“ und ich freue mich auf Stille, auf Lesen, auf gute Worte, und manche Klänge. Ausschlafen allein erneuert mich nicht. Leerlauf und Rückzug allein auch nicht. Aber beides hilft, um hellwach und sensibel zu sein für die Fragen der Zeit. Wach für Herausforderungen des Alltags.

Denke ich heute an Martin Luther, fallen mir nicht nur seine 95 Thesen ein, die er in Wittenberg an die Schlosskirche geschlagen haben soll. Mir fällt da auch die Zeit auf der Wartburg ein, wo er Zeit hatte, um sich mit dem Wort Gottes zu beschäftigen. Er übersetzte die Bibel in die deutsche Sprache. Nicht nur, um Wort für Wort zu übersetzen. Luther fragte, wie Worte für Menschen verständlich werden. Luther fragte, wie Menschen verstehen können, was in der Bibel geschrieben steht, und er suchte nach Worten, die der Mensch seiner Zeit verstehen konnte. Er schaute, so wird berichtet, „den Menschen aufs Maul“. Luther nahm Worte, die in seinem Umfeld zu hören waren, die gesprochen wurden, und machte Sprache lebendig. Und, davon war er überzeugt, Sprache ist lebendig und verändert sich. Er selbst übersetzte Texte immer wieder neu, revidierte, formulierte um.

Ich gehe mit der Frage nicht nur in den Tag, sondern dann auch in meinen Alltag hinein, wie wir die Worte Gottes, die uns wichtig sind, die uns berühren, so weitersagen, dass sie bei anderen ankommen. Und da geht die Frage immer erst an den Einzelnen. Welche Worte bewegen mich? Welche Worte sage ich weiter? Welche Worte sollen die Menschen erreichen, so dass sie sie verstehen können?

Für mich heißt das auch Lesen. Bibeltexte lesen – in Worten, die heute gesprochen und verständlich sind. Manchmal mich an Worten reiben. Manche hinterfragen. Dafür braucht es Zeit und Stille, um zu hören. Auch in diesem Sinne freue ich mich auf das Reformationsfest – und werde es feiern, dass ich Lesen kann und eine Bibelübersetzung habe, die ich verstehe, und die meine Sprache spricht. Und ich bin dankbar, dass Luther da etwas auf den Weg gebracht hat. Sonst wäre es höchste Zeit, denn gute Worte sind doch so wichtig in unserer Zeit.

Ein frohes, wortinspiriertes Reformationsfest!

Claudia Sokolis-Bochmann

Pastorin Claudia Sokolis-Bochmann ist sonntags um 10 Uhr im Gottesdienst und 14-tägig mittwochs um 15 Uhr zum Bibelgespräch anzutreffen, ebenso am letzten Freitag im Monat von 15-17 Uhr zur KaffeeZeit.- Treffen und Termine können auf Nachfrage zum Gespräch und gemeinsamen Nachdenken mit ihr vereinbart werden.